Ich denke ich erzähle niemandem etwas Neues wenn ich sage, dass die letzten Jahre eine Zeit der Veränderung für uns alle waren. Wir wurden mit unbekannten existenziellen und sozialen Unsicherheiten konfrontiert und eine Krise schien die nächste abzulösen: zunächst die Pandemie, dann ein Krieg in unmittelbarer Nähe, und nun die steigende Inflation, immer höher werdenden Energiepreise, die wachsende Armut… Herausforderungen, mit denen jede*r von uns in unterschiedlichem Ausmaß konfrontiert ist.
Vielleicht hast du das Gefühl, dass du davon kaum belastet bist und es dir scheinbar an nichts mangelt. Dennoch sollte nicht unterschätzt werden, welchen tiefgreifenden Einfluss Zeiten der Unsicherheit auf unsere mentale Gesundheit und unsere Beziehungen haben können. Womöglich hast du bemerkt, dass es dir etwas schwerer fällt, dich zu konzentrieren, dass du unproduktiver und schneller erschöpft bist, dass du in Beziehungen eine „dünnere Haut“ hast oder dich stärker isolierst und zurückziehst. Subtile Anzeichen dafür, dass es nicht schaden könnte, einen liebevollen Blick auf deine mentale Gesundheit zu richten.
Den heutigen Blog Artikel möchte ich daher diesem Thema widmen um darüber zu sprechen, wie du mit diesen turbulenten Zeiten und ihren Auswirkungen ein wenig besser umgehen kannst
Inhalt
Was machen Zeiten der Unsicherheit mit uns?
Unsicherheit (als das Gegenteil von Sicherheit) wirkt sich auf unsere Emotionen, unser soziales Umfeld und auch auf unsere Gesundheit aus. Dies liegt daran, dass viele unserer (elementarsten) Bedürfnisse nicht mehr ausreichend gestillt werden.
Um zu verdeutlichen, auf welchen Ebenen sich dies auf uns auswirkt, möchte ich dir die Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow vorstellen. Er versuchte mit seinem Modell vereinfacht darzustellen, welche Bedürfnisse und Motivationen Menschen haben. Die Ebenen sind hierarchisch angeordnet – es müssen zuerst unsere grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse wie Nahrung und Wasser erfüllt werden, bevor „Luxusbedürfnisse“ wie die Selbstverwirklichung zum Vorschein kommen.

Zeiten der Unsicherheit wirken auf all diesen Ebenen auf die Erfüllung unserer Bedürfnisse ein – bei manchen Menschen nur auf den höheren Ebenen, aber bei anderen selbst auf den grundlegendsten Bedürfnisebenen.
- Auf der untersten Ebene befinden sich die physiologischen bzw. Existenzbedürfnisse, also Trinken, Essen und ein Dach über dem Kopf. Finanzielle Schwierigkeiten und Einschnitte können sich vor allem auf dieser Ebene bemerkbar machen.
- Auf der zweiten Ebene stehen die Sicherheitsbedürfnisse, welche sich auf die körperliche und seelische, finanzielle und soziale Sicherheit, Arbeit, Wohnung und die Familie beziehen.
- An nächster Stelle stehen die sozialen Bedürfnisse. Dazu zählen Freundschaften, Gruppenzugehörigkeit, sozialer Austausch, Beziehungen, Zuneigung, aber auch Intimität und Liebe. Auch die Bedürfnisse dieser Kategorie haben in den letzten Jahren sehr gelitten.
- An 4. Stelle der Bedürfnispsyramide stehen die Individualbedürfnisse. Maslow ordnet hier Vertrauen, Erfolg, Freiheit, Wertschätzung und Unabhängigkeit zu.
- Die letzte Ebene bezieht sich auf das Streben nach Selbstverwirklichung. Das bedeutet, dass wir unsere Talente und unsere Kreativität entfalten wollen, unsere Persönlichkeit weiterentwickeln und unser Leben selbst gestalten wollen.
Jede Unsicherheit und existenzielle Angst wirkt sich auch auf unsere Gefühle aus. Hilfslosigkeit, Gereiztheit, Angst, Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, Zerstreutheit und die Unfähigkeit große Entscheidungen zu treffen können dadurch zu täglichen Begleitern werden.
Auch können sich Bedürfnisse in turbulenten Zeiten verändern – so wird das Bedürfnis nach Freiheit und Abenteuer eventuell durch ein Verlangen nach Sicherheit und Ruhe abgelöst.
Beziehungsbedürfnisse
Mit unseren Bedürfnissen verändern sich auch unsere Beziehungen; das können Freundschaften, die Partnerschaft oder die Beziehung zu Familienangehörigen sein. Sehr häufig leiden unsere Beziehungen unter Stress und Unsicherheiten, wodurch dieser wichtige Kraftspender, diese Ressource, gerade dann schwächer wird, wenn wir sie am meisten brauchen.
Beispielsweise erhöht finanzieller Stress besonders bei Menschen, die ohnehin öfter mit Ängsten zu kämpfen haben, das Bedürfnis nach Sicherheit und Bestätigung. Je stärker das eigene Unwohlsein jedoch ist, desto weniger Kapazitäten hat man auf der anderen Seite für die Gefühle und Bedürfnisse des Partners*der Partnerin, wodurch Unzufriedenheit und Konflikte entstehen können. So leidet auch die Zeit mit Freund*innen, Familie oder Partner*in häufig darunter, wenn es uns mental nicht gut geht.
Darüber hinaus wollen viele Menschen ihre Lieben mit den eigenen Ängsten, Sorgen und negativen Gedanken nicht belasten, wodurch sie Vieles in sich hineinfressen und/oder sich zurückziehen. Auch kann es passieren, dass man sich öfter in Konflikten wiederfindet, wenn bei schwierigen Themen die Meinungen zu weit auseinandergehen.
Was kannst du tun?
Zuallererst ist es wichtig, dass du deine aktuellen Gefühle mit Selbstmitgefühl und ohne Bewertung betrachtest. Dazu gehört, negative Emotionen nicht zu rationalisieren oder sie hinunterzuspielen. Denn auch wenn es dir scheinbar an nichts mangelt, oder du dich in einer relativ privilegierten Position befindest, kannst du unter der aktuellen Weltlage leiden. Das können kleine Einschränkungen in deinem Alltag sein, oder die Besorgnis, die durch den täglichen Nachrichtenkonsum verstärkt wird. Nimm wahr, was da ist – und gestehe es dir zu, wenn es dir nicht gut geht.
- Unterstützung suchen & annehmen
Egal, was gerade in die vorgeht: Sei dir bewusst, dass du damit nicht alleine bist und hole dir Unterstützung und Stabilität von außen, wo es dir möglich ist.
Obwohl es manchmal schwer fällt, mit der*m Partner*in oder anderen nahestehenden Personen über die eigenen Sorgen, Gefühle und Bedenken zu sprechen, kann es auch ein Werkzeug sein, zusammen zu wachsen und schwere Zeiten durchzustehen. Denn durch das Mitteilen jener Gedanken schafft man eine tiefere Verbundenheit und Vertrautheit in der Beziehung, wodurch Bedürfnisse besser erfüllt werden können und manche Konflikte gar nicht erst entstehen – einfach weil man die Motive und Beweggründe der anderen Person versteht. So lässt sich auch die Sicherheit innerhalb der Beziehung vertiefen!
Es kann auch hilfreich sein, den Partner oder die Partnerin (oder Freund*innen, Familie, etc.) im Alltag mehr miteinzubeziehen, wenn man Unterstützung braucht – oder auch anderen Menschen Unterstützung anzubieten, wenn das im Rahmen der eigenen Möglichkeiten liegt. Offen nach Unterstützung zu fragen und diese Hilfe dann auch anzunehmen sind Schlüsselaspekte, die das Leben erleichtern können – und wenn es nur ein Einkauf ist, der unbedingt getätigt werden muss, dir aber gerade zu viel Energie kostet. Sprich diese Wünsche direkt aus, ohne Forderungen zu stellen. Durch dieses offene Ansprechen entsteht keine aufgestaute Frustration in dir, die sich dann womöglich in einem Konflikt ihren Weg nach draußen bahnt. So könnt ihr gemeinsam einen Weg finden, um deine Bedürfnisse besser zu erfüllen.
Das kann zum Beispiel so lauten:
„Ich merke, dass ich momentan viel Nähe und Liebe von dir brauche. Ich würde mir wünschen, dass wir öfters einfach einen Abend auf der Couch verbringen“.
- Auf Kraftspender fokussieren
Gerade in schwierigen Zeiten liegt unser Fokus häufig vor allem auf den negativen Aspekten des Lebens – dabei gibt es tagtäglich auch so viele schöne Dinge, die uns umgeben. Das soll nicht bedeuten, dass du negative Dinge einfach wegschieben und plötzlich alles positiv sehen und optimistisch in die Zukunft blicken sollst. Deine Wahrnehmung für die Dinge, die trotz allem gut laufen, zu schärfen, ist jedoch eine sehr wirkungsvolle Methode, um wieder mehr gute Laune in deinen Alltag zurückzubringen.
Dazu habe ich eine kleine Übung für dich, die du gerne immer wieder machen kannst:
Schreibe dazu eine Liste mit Dingen, die dir Kraft geben und die dich aufbauen, wenn du niedergeschlagen bist oder dir alles zu viel wird. Das können kleine Dinge sein, wie eine gute Tasse Kaffee, ein Spaziergang in der Natur, deine Lieblingsserie, oder auch Zeit mit einem lieben Menschen.
Diese Liste zeigt dir deine Ressourcen, die du in Zukunft mehr in dein Leben integrieren kannst, vor allem in Phasen, in denen es dir nicht so gut geht. Du kannst die Liste auch immer wieder erweitern, wenn dir etwas Neues einfällt!
- Grenzen setzen
Ebenso wichtig ist es, in Phasen, in denen es dir nicht so gut geht, umso bessere Grenzen zu setzen, was Situationen und Menschen betrifft, die dir deine Kraft eher stehlen statt spenden…
Wir alle haben Dinge, zu denen wir aktiv oder passiv „Ja“ sagen, obwohl wir sie eigentlich nicht wirklich wollen: Die Einladung einer Freundin. Die Bitte eines Kollegen. Das Verhalten der Schwiegermutter. Der Ton unseres Chefs. Die Petition eines Greenpeace-Aktivisten…
Viele (wenn nicht sogar die meisten) Menschen haben nie wirklich gelernt, ihre Grenzen zu wahren und „Nein“ zu Dingen zu sagen, die sie nicht wollen. Dabei ist die Fähigkeit, solche Grenzen für uns selbst und andere zu setzen, essentiell für unsere Selbstfürsorge und unser emotionales Wohlbefinden. Denn einer der Nachteile des „Ja“-Sagens ist, dass wir dadurch unsere Interessen und Prioritäten hinten anstellen oder uns überfordern – gerade in Zeiten, die ohnehin schon sehr fordernd sind.
Die Sorge um die Meinung anderer, die Angst vor Missbilligung oder vor Ablehnung bringen uns dazu, viel mehr zu tun, als wir wollen oder können und unsere Kräfte an der falschen Stelle einzusetzen. Dadurch vernachlässigen wir jedoch unsere eigenen Bedürfnisse… die wie oben beschrieben womöglich ohnehin schon zu kurz kommen.
Grenzen sind jedoch nichts Boshaftes, womit du andere ausschließt – sind viel mehr ein klarer Bereich, den man selbst aufspannt und in dem man sich wohl fühlt. Mit gut gesetzten Grenzen werden du und deine Bedürfnisse respektiert und auch andere Menschen beziehen aus ihnen einen Vorteil, denn sie haben durch deine Grenzen eine klare Orientierung, wie sie mit dir umgehen sollen.
Hin und wieder „Nein“ zu sagen hat also nichts mit Egoismus zu tun – es ist vielmehr ein Ausdruck der Selbstfürsorge! Wir sorgen dadurch dafür, dass es uns gut geht und wir unsere Bedürfnisse erfüllen und unserer Ziele erreichen können.
Fazit
Ich will es kurz halten: Die aktuelle Zeit ist für viele von uns auf die eine oder andere Weise belastend. Gestehe dir zu, dass das auch auf dich Auswirkungen haben kann, behalte deine Bedürfnisse & mentale Gesundheit gut im Auge, hol dir Unterstützung von deinen Lieben und setze Grenzen, wo du sie brauchst.
Und zu guter Letzt: Manchmal reicht die Unterstützung des eigenen Umfelds einfach nicht aus. Wenn du dich ohnmächtig fühlst und nicht weißt, wo du mit deinen Emotionen hin sollst, hol dir gerne professionelle Hilfe. Das gilt für dich als Individuum, sowie für deine Beziehung. Man kann aus jeder Krise gestärkt hinausgehen

Caroline Hehenberger, Msc.
Als Dating- & Beziehungsexpertin helfe ich Menschen dabei, sich selbst und ihre Beziehungen weiterzuentwickeln und so den Dating-Frust endgültig hinter sich zu lassen.
Mit Metadating® habe ich einen Ansatz geschaffen, durch den du auf Basis psychologischer Erkenntnisse gezielt deine Selbstsicherheit steigerst, deine Stärken kennenlernst und deine romantischen Ziele erreichst.
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